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Berlin ist nicht nur die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch die der Anhänger von Nicht-Berliner Fußballvereinen. In seinem Film Ferne Liebe hat Regisseur Martin Zeising, der selbst ein Exilfan ist, elf verschiedene Fanclubs während der Hinrunde der Saison 2015/16 begleitet.

Entstanden ist ein Fußballfilm, bei dem keine einzige Spielszene gezeigt wird. In Ferne Liebe geht es nämlich einzig und allein um die Fans und die Liebe zu ihrem Verein. Portraitiert werden all diejenigen, die jedes zweite Wochenende in die Heimat ihres Lieblingsvereins fahren, weil sie dort ebenso eine Dauerkarte besitzen wie einheimische Fans. Doch auch Fans, die sich jedes Wochenende mit ihren Fanclubs in den Kneipen Berlins treffen und deren einziger Stadionbesuch ein jeder Saison immer dann stattfindet, wenn ihr Verein im Olympiastadion oder in der Alten Försterei spielt, bekommen  in diesem Film ein Gesicht. Wir haben uns mit dem Regisseur des Fußballfilms Ferne Liebe, Martin Zeising, getroffen, um mit ihm über seinen neuen Film zu sprechen.

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Bist Du das erste Mal beim 11mm Fußballfilmfestival dabei?

Martin Zeising: Ja, das ist auch der erste Fußballfilm, den ich gedreht habe. Ich habe zwar schon andere Filme gedreht, aber bei denen war nie der Fußball das Thema.

Am 18.03. ist im Babylon Premiere für Deinen neuen Film Ferne Liebe. Bist Du nervös oder überwiegt eher die Freude, dass dieser endlich auf der Leinwand erscheint?

Also im Moment bin ich noch recht ruhig, was mich ehrlich gesagt auch selbst überrascht. Die gesamte Produktion des Films war allerdings zeitlich auch sehr knapp bemessen. Unseren letzten Drehtag hatten wir am 09. Januar 2016, somit also nur zwei Monate um den Film zu schneiden. Den Film fertig gestellt haben wir dann letztendlich vor knapp einer Woche, so das ihn bisher wirklich noch niemand gesehen hat. Dann ging es aber auch schon los mit den Interviewanfragen. Ich hatte also bis dato kaum Zeit, ein wenig Luft zu holen oder um nervös werden zu können. Aber das kommt vielleicht noch.

Wie und wann ist die Idee bei Dir entstanden einen Film über Fußballfans zu machen, die Anhänger von Nicht-Berliner Fußballvereinen sind?

Die Idee habe ich schon recht lange mit mir herum getragen. Auslöser war unter anderem das Kickerturnier »Siege statt Hiebe«, bei dem sich alljährlich 16 bis 20 verschiedene Fanclubs aus Berlin treffen, um in ihren Vereinsfarben den Deutschen Fan-Club-Kickermeister zu ermitteln. In diesem Jahr bereits zum zehnten Mal. Bemerkenswert daran ist, das hier hunderte Fans aus verschiedenen Lagern zusammen kommen, Bier trinken und singen, es aber noch nie zu Auseinandersetzungen unter den Beteiligten gekommen ist. Hinzu kam, das sich im Sommer des vergangenen Jahres dann die Chance auftat, einen solchen Film auch finanzieren zu können. Bei der DFL gibt es ein Fanprojekt namens PFIFF (Pool zur Förderung innovativer Fußball- und Fankultur), wo die Möglichkeit besteht finanzielle Förderung zu beantragen. Dort habe dann ich meine Idee eingereicht. Und da diese begeistert aufgenommen wurde, war das dann der finale Startschuss für die Realisierung dieses Films.

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Was ist Deine ganz persönliche Erkenntnis aus dem Film?

Meine ganz persönliche Erkenntnis ist, das es vollkommen egal ist, für welchen Verein jemandes Herz schlägt, denn die Leute sind alle mit derselben Leidenschaft dabei. Denn wer hier im Exil die Liebe zu seinem Verein lebt und sonntags bei herrlichem Sonnenschein in eine dunkle, verrauchte Kneipe geht, um mit Gleichgesinnten seine Mannschaft anzufeuern, der ist einfach Fan durch und durch. Und da gibt es dann letztendlich keine Unterschiede. Man hat ja so seine Klischees, aber in den 90 Minute sind sie alle gleich. Da wird mitgefiebert, da wird Lärm gemacht und der einzige Unterschied ist dann nur noch die Farbe des Trikots. Was mir zudem aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass das mit seinem Verein leiden meist viel nachhaltiger ist, als die Freude über einen Sieg. Ein Sieg wird am selben Abend gefeiert, aber ein Abstieg oder eine verpasste Meisterschaft bleiben viel länger in Erinnerung.

Dieses Exildasein ist dann sicher auch das, was die Fanlager, trotz ihrer Rivalität, verbindet.

Hier in Berlin auf jeden Fall.

Gab es denn einen Fanclub, der Dich besonders beeindruckt hat?

Das würde ich von der Leidenschaft her nicht sagen. Es gibt jedoch Unterschiede in den Möglichkeiten, die die Fanclubs haben. Der VfB Stuttgart beispielsweise hat ein eigenes Vereinsheim in Neukölln und das ist dann schon mit etwas mehr Organisation verbunden, als andere. Aber dass mich jetzt ein Fanclub ganz besonders beeindruckt hat, kann ich nicht behaupten. Beeindruckt haben sie mich alle, mit ihrer Vereinsliebe und ihrem Engagement.

Sind Fußballfans im Exil leidensfähiger als Fans von Berliner Fußballvereinen?

Sie müssen auf alle Fälle mehr Aufwand betreiben, denn für die bedeutet einfach  jedes Spiel ihres Vereins jede Menge Logistik, denn bei den Exilfans, hat es dennoch hohe Priorität so viele Spiele wie möglich live im Stadion verfolgen zu können. Nehmen wir mal die Freiburger Fans. Wenn die zu einem Heimspiel wollen, dann sind das einfach mal 800km Wegstrecke. Da fährt man eben nicht einfach mal so morgens hin und abends wieder zurück. Da ist man dann mit An- und Abreise drei Tage unterwegs.

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Du bist ja Anhänger des 1. FC Nürnberg. Wie handhabst Du das denn selbst?

Ich selbst möchte auch so oft wie möglich im Stadion sein. Ganz klar. Das letzte halbe Jahr ging das natürlich nicht so gut, weil wir an den Wochenenden gedreht haben. Ich hab auch meine Dauerkarte und wenn es irgendwie geht, dann fahr ich runter nach Nürnberg.

Warum spielt Nürnberg nächste Saison wieder in der Bundesliga?

Weil es in dieser Saison nur noch eine Niederlage geben wird und die anderen sich noch den ein oder anderen Fauxpas leisten werden.

Aber so wie es aussieht, wird es ja doch eher die Relegation.

Ja, also realistisch gesehen muss man ja zufrieden sein, wenn es die Relegation wird, aber in den letzten Spielen kann eben immer noch so viel passieren. Selbst wenn ein möglicher Absteiger auf einen Aufstiegskandidaten trifft.

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Hast Du denn nach Deinem ersten Fußballfilm vor, auch weiterhin etwas in dieser Richtung zu machen?

Um ehrlich zu sein, weiß ich das im Moment noch nicht. Man muss jetzt erst einmal die beiden Aufführungen beim 11mm Fußballfilmfestival abwarten. Der Film soll natürlich schon auch danach noch laufen. Aufgrund der knappen Zeit hatten wir aber noch gar keine Zeit uns so wirklich darum zu kümmern, wie es anschließend weiter geht. Eine Idee könnte aber sein, an die DFL heranzutreten und auch an die Vereine, um den Leuten in Mönchengladbach, Freiburg usw. zu zeigen, dass es in Berlin einen Support gibt. Immerhin sind die Berliner Fanclubs bei den Vereinen bekannt. Oder es findet sich ein Verleih, der den Film dann ins Kino bringt. Bis dato ist da jedoch noch nichts spruchreif.

Ist eben schon ein sehr genrespezifischer Film.

 Immerhin ist es ein Fußballfilm ohne Fußball. Es geht eben einfach nur um die Menschen, wie sie auf den Tribünen sitzen oder in den Kneipen und mitfiebern. Ich bin überzeugt, das der ein oder andere Nichtfußballer daraus Erkenntnisse gewinnen kann, warum Fußball solch eine Sogwirkung besitzt und was die Faszination dieses Spiels ausmacht. Wer das dann nicht begreift, wird niemals Fan werden. Aber wer sich darauf einlässt, hat zumindest die Chance, die Liebe zum Fußball für sich zu entdecken.

Wie waren die Reaktionen, wenn Du die Fanclubs mit der Kamera begleitet hast?

Das war an sich gar kein Problem, weil von Anfang an feststand, dass wir uns so unauffällig wie möglich verhalten wollen.  So haben wir keine Umbauten vorgenommen, um etwas zu inszenieren. Ziel war es, die Fans so zu zeigen, wie sie die Spiele tatsächlich verfolgen. Außerdem wurde im Vorfeld mit den Fanclubs alles abgesprochen.

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Habt ihr euch denn Spiele auch bewusst ausgesucht?

Ja. Wir haben uns beispielsweise für die Begegnung Köln gegen Gladbach entschieden. Nachdem die Borussia so schlecht in die aktuelle Saison gestartet war, war davon auszugehen, das hier ordentlich Feuer drin sein würde. Wir haben außerdem bewusst darauf geachtet, nicht nur in den Kneipen zu drehen, sondern die Fans auch in die Stadien zu begleiten. Mit den Freiburgen waren wir beispielsweise in Leipzig und die Nürnberger haben wir zu einem Heimspiel begleitet. Das war insofern interessant, weil der Gegner Düsseldorf hieß und ein einziger Düsseldorf-Anhänger mitgefahren ist. Und dann wäre da noch das Spiel Freiburg gegen Bielefeld. Beide Fanlager gucken ihre Spiele immer in der Tante Käthe, weswegen der Laden an diesem Spieltag aus allen Nähten geplatzt ist. So etwas konnten wir uns natürlich nicht entgehen lassen.

Der Film Ferne Liebe wird im Rahmen des 11mm Fußballfilmfestivals am 18.03. um 21.30 Uhr und am 21.03. um 19.45 Uhr im Babylon in der Rosa-Luxemburg-Straße 30 gezeigt.