Erstwähler

Erstwähler: Was tun?! – [030] Praktikantin Jemima über ihre erste Wahl

Wie wir ja alle wissen, steht am 24. September 2017 die Bundestagswahl an. Ich kann mich dieses Jahr zum ersten Mal daran beteiligen. Man nennt mich auch Erstwählerin.

Seit ich denken kann, versucht mein Vater, mich für Politik zu begeistern. Zum Wählen musste ich immer mitkommen und in der Grundschule hat er damals sogar eine Doppelstunde „Bundestagswahlen“ unterrichtet. Auch Freunde setzen sich politisch ein und versuchen mich in elend langen Sprachnotizen von ihren politischen Positionen zu überzeugen. Im Politikunterricht konnte man mich jedoch weniger erreichen. Aber damit bin ich wahrscheinlich nicht allein. Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass ich mich bis jetzt übermäßig viel mit Politik auseinander gesetzt habe. Da ich mich an Gerhard Schröder nur erinnern kann, weil meine Sportlehrerin in der dritten Klasse Frau Schröder hieß, ist Angela Merkel die einzige Bundeskanzlerin, die ich bis jetzt aktiv wahrgenommen habe. Trotzdem ist meine Bindung zu ihr nicht sonderlich fest. Ich kann mich einfach nicht mit ihr identifizieren.  Zu konservativ.

Politische Jugendgruppen: Wer hat’s drauf?

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Die politischen Jugendgruppen in Aktion.

Für junge Leute gibt es politische Jugendgruppen, die sie erreichen sollen. Sei es über Social-Media, Hashtags, Demos oder Kulturveranstaltungen. Dabei erreichen sie ihre Zielgruppe zwischen 13 und 25 Jahren erfolgreich oder eben auch nicht. Mit mehr als 40.000 Facebook-Likes liegt die junge Union im Bereich Social-Media ganz vorne. Gefolgt von den Jusos der SPD mit fast 30.000. Hier finde ich besonders traurig, dass die jungen Alternativen mit ca. 20.000 im Netz erfolgreicher sind als die grüne Jugend. Da bekommt man direkt Bauchschmerzen. Ich persönlich finde es wichtig, als politische Jugendgruppe in den sozialen Medien authentisch und überzeugend vertreten zu sein. Wir verbringen täglich rund 3,5 Stunden an unseren Handys. Wenn man bei uns also irgendetwas bewegen will oder uns sogar antreiben möchte sich politisch einzusetzen, ist das die beste Möglichkeit, unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Schulen sind unzumutbar 

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Schlimme Zustände an Berliner Schulen
Foto: Kitty Kleist-Heinrich

Obwohl ich mich nicht unbedingt mit Steuer- oder Rentenpolitik beschäftige, gibt es Themen, die für mich als Erstwählerin – und wahrscheinlich auch für alle anderen – wichtig sind. In meinem Kopf steht da als erstes fettgedruckt das Thema Bildung. Ich habe die Schule gerade abgeschlossen und leide immer noch an den Nebenwirkungen der altmodischen Lehrmethoden. Die Folien des OH-Projektors fliegen den Lehren wegen des Luftzugs durch die kaputten Fenster um die Ohren. Die Computer brauchen gefühlt Jahre um hochzuladen, Stühle sind demoliert, Vorhänge hängen auf halb Acht und von den Toiletten will ich gar nicht erst anfangen. Die junge Union fordert deswegen Sanierungen an Schulen. Auch, dass an vielen Schulen ein Smartphone-Verbot herrscht, ist meiner Meinung nach ziemlich sinnlos. Vielmehr sollte man sich dort auf die Digitalisierung konzentrieren. Die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts sollten genutzt werden. Die Jusos und die jungen Piraten setzen sich besonders für diesen Vorgang ein: mehr digitale Lehrmedien mit Zugang zu digitalen Informationen. Laut den jungen Piraten sollen diese den Unterricht erheblich erleichtern. Auch Lehrbücher, Arbeitshefte etc. in digitaler Form sollten vorhanden sein. So klagen Schüler zum einen nicht über Rückenschmerzen, zum anderen entsteht eine sinnvolle Nutzung der digitalen Medien.

Ausbildung, Studium, Wohnen: mehr Unterstützung für die Zukunft

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Investitionen in die Zukunft? Bei Studenten, Auszubildenen und jungen Familien kommt zu wenig an!

Nach der Schule geht es weiter: Ausbildung oder Studium? Schön wäre es, wenn das unsere einzige Sorge wäre. Die Linksjugend beispielsweise setzt sich für eine Ausbildung für alle ein. Das kann ich nur unterstreichen. Ich habe oft gelesen, dass Unternehmen viele Azubis suchen, dennoch habe ich nach dreißig Bewerbungen und neun Vorstellungsgesprächen (mit Abitur) keinen Ausbildungsplatz bekommen. Und da bin ich nicht die Einzige. Auch die Jusos kämpfen für eine sogenannte Ausbildungsgarantie. Die Linksjugend setzt dabei auf ein einklagbares Grundrecht auf Ausbildung und Übernahme. Ich finde es auch wichtig, dass jeder die Chance hat, zu studieren. Ein Hochschulstudium sollte nicht nur etwas für Menschen mit reichen Eltern sein. Dafür braucht man elternunabhängiges BAföG. Die jungen Liberalen, Jusos und die Linksjugend setzt sich klar dafür ein, damit eine freie Entfaltung möglich ist. Speziell problematisch ist die Bezahlung der Miete während des Studiums. 400 Euro für ein kleines WG-Zimmer. Die Jusos sprechen sich mit Slogans wie: „Gerecht ist, wenn Dreier keine Platzfrage ist, sondern Vergnügen“ für mehr und vor allem günstigeren Wohnraum aus. Für Studierende muss dafür ein Ausbau von Wohnheimen her.

Gender-Mainstreaming!

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Mann gegen Frau. Wer gewinnt ist in punkto Gehalt im Vorfeld klar. Muss sich ändern.

Auch die Gleichstellung von Mann und Frau ist für mich ein wichtiger Punkt. Frauen verdienen 21 Prozent weniger als Männer. Wie kann das im 21. Jahrhundert immer noch sein? Frauen sollten die gleichen Chancen wie Männer haben. In jeder Hinsicht. Die grüne Jugend und die Linksjugend setzen sich aktiv für Feminismus ein – zurecht. Rollenbilder und Stereotypen sollten aus der Welt geschafft werden. Die junge Alternative lehnt das Gender-Mainsreaming übrigens entschieden ab. Zu meinem eigenen Überraschen fordert die junge Union die Einstellung der finanziellen Förderung der Gender-Studies. Auch Rassismus und Diskriminierung sollte mehr entgegengetreten werden. Mein Vater kommt aus Deutschland, meine Mutter stammt aus der demokratischen Republik Kongo. Ich bin in Berlin geboren. Warum muss ich mir darüber Gedanken machen, ob ich in Leipzig oder Dresden sicher studieren kann? Warum muss mein Bruder in Halle Angst haben, Nachts auf die Straße zu gehen? Die Linksjugend setzt sich dafür unter anderem mit Demos gegen Rassismus ein. Ich finde es unglaublich wichtig, dass meine Generation ihre Stimme weiterhin erhebt.

Erstwähler erreichen: Schwierig, aber nicht unmöglich

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Jemima ist seit Oktober 2016 volljährig. Nun steht ihre erste Bundestagswahl an. Keine leichte Wahl für die Berlinerin.

Erstwähler zu erreichen kann schwierig sein. Mich persönlich sprechen sinnvolle und kreative Kampagnen an. Junge Leute erreicht man heutzutage letztendlich über das Internet, deswegen sollte man auf übersichtliche und durchdachte Websites achten. Überzeugt haben mich in der Hinsicht die Jusos (SPD), die Linksjugend (die Linke) und die Julis (FDP). Die junge Union lässt mich mit einem Übermaß an Bildern von alten Politikern kalt und dass das Wahlprogramm der jungen Alternativen übersichtlicher als das der grünen Jugend ist, ist einfach nur peinlich. Das lässt einen echt an der Glaubwürdigkeit gegenüber unserer Generation zweifeln.

Was nun?

Für mich als Erstwählerin ist es schwierig eine Entscheidung zu treffen. Auf der einen Seite bin ich zum Beispiel von meinen Eltern beeinflusst. Auf der anderen Seite will ich, wie viele Jugendliche, meinen eigenen jungen Kopf behalten. Ich persönlich weiß noch nicht wen ich wählen werde. Aber sicherlich nicht die AfD. Mir ist bewusst, dass eine Partei nicht alle deine Wünsche verwirklichen kann. Ich denke aber es ist sehr wichtig zu wählen, wenn man die Möglichkeit hat. Man sollte sich nicht auf „die Politik ist scheiße“ ausruhen. Man sollte sich vielmehr bemühen etwas zu verändern, wenn man die Chance dazu hat und sich immer vor Augen halten, dass es leider nicht selbstverständlich ist die Wahl zu haben. Damit halt nicht genau das passiert was gerade abgeht.