Tom Schilling, And the Jazz Kids, Oh Boy, Vilnius, Jan Ole Gerster, Sänger, Schauspieler, Interview, Album, Musik, Kein Liebeslied, Moses Schneider, berlin, 30 Magazin

Dass Tom Schilling nicht nur schauspielert, ist kein Geheimnis. Seit der 34-Jährige am „Oh Boy“-Set die Jazz Kids kennenlernte, mischen sie die vergessenen Gefilde des deutschen Chansons auf. Mit „Vilnius“ erscheint jetzt die erste LP. Hier erweist er sich als Songschreiber par excellence. Zweifel hatte er trotzdem. Warum, verrät er im Interview.


Ihr spielt weder Jazz, noch seid Ihr Kids. Der reinste Etikettenschwindel, oder?

Ja, aber ich finde es toll, die Leute in die Irre zu leiten. Ich weiß nicht, ob wir uns damit einen Gefallen tun. Was meinst Du?

Nun, der singende Schauspieler steht in der Nicht-schon- wieder-Rangliste ja eher oben – weil man von ihm nicht erwartet, zu überraschen. Damit brecht Ihr schon mal.

Stimmt, ich will schließlich auch, dass sich die Leute intensiv mit der Musik beschäftigen. Außerdem klingt Kids so schön harmlos, obwohl unsere Musik eher schwer ist.

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Hauptsache, es qualmt. Tom Schilling beim iNterview.

Dein Kollege Matthias Schweighöfer veröffentlicht zur gleichen Zeit ein Album? Gutes Timing!

Wir waren im Studio, als ich das erfahren habe. Ich weiß, unsere Platten haben nichts miteinander gemein. Ich würde sogar sagen, unsere Platte ist die Anti-These. Ich will gar nicht bewerten, was Matthias für Filme macht. Aber es sind andere als meine. Offen gestanden: Ich hatte Angst vor den Interviews.

Angst davor, in einen Topf geworfen zu werden?

Ja, davor, dass Journalisten nicht genau hinhören. Wie Du schon meintest: Es gibt Leute, die sagen, ein singender Schauspieler ist per se Horror. Diese Frage und Angst schwebt immer über mir. Ich habe mich sogar gefragt, ob es wirklich nötig ist, dass ich eine Platte mache.

Wie viel hat der Protagonist der Platte mit Dir zu tun?

Alles! Wenn man sich mit den Texten beschäftigt, kann man sehr viel über mich herausfinden.

Überlegt man sich ein solches Album zweimal? Immerhin verrätst Du Dinge über Dich, die du im Schauspiel-Kontext vermutlich nicht preisgegeben würdest.

Nein, das ist schon Teil meines Berufs. Über die Musik ist das jetzt nur intensiver, aber auch jede Rolle ist ein Modifiziertes Ich. Ich mache mir das, was ich spiele, immer so zu Eigen, dass es persönlich aufgeladen wird. Genauso habe ich das mit der Platte gemacht. Ich habe versucht, nicht privat zu schreiben, aber persönlich.

Wie kam der Kontakt mit Moses Schneider zustande?

Ich habe überlegt, wer das Album produzieren könnte, mich mit deutscher Musik auseinandergesetzt und festgestellt, dass ich die Tocotronic-Patten toll finde. Die sind auch im Hansa Studio entstanden. Dann habe ich Interviews von Moses gesehen, in denen er erzählt, wie er zum Produzieren kam: dass er in den 80ern als Tonassistent in den Hansa Studios angefangen hat, wo ein paar der tollsten Nick Cave-Alben entstanden sind. Davon war ich beeindruckt. So kam eins zum anderen.

Was schätzt Du an Nick Cave und seiner Art des Schreibens?

Er hat eine Art, sich mit dem Leben auseinanderzusetzen, die etwas Zwingendes hat. Da ist keine Zeile zu viel oder zu wenig. Die Bilder sind genau. Dass Nick Cave diese Filme gemacht hat, ist ja fast exhibitionistisch. Genau die Kompromisslosigkeit, die ich toll finde. Das komplette Gegenteil vom internationalen Pop.

Ein Anspruch, den Du auch an Deine Musik hast?

Ich glaube zumindest, dass es schwierige Musik ist, die eine wirkliche Auseinandersetzung erfordert. Die wünsche ich mir. Alles andere muss jeder für sich selbst herausfinden.

Tom Schilling – Vilnius erschien am 21 4. bei Embassy

https://www.amazon.de/Vilnius-Tom-Schilling-Jazz-Kids/dp/B06XF2ZSH6

Fotos: © Alexander Indra