Bonaparte, Tobias, Mundt, Melissa jungt, The Return of Stravinsky Wellington, Interview, Berlin, 030, Magazin, Indie, Pop, Musik

Pomp und Parallelwelten? Für das fünfte Album von Tobias Jundt alias Bonaparte muss man umdenken – oder besser gesagt, ihm multiple Emotionen zugestehen, denn: Mit „The Return of Stravinsky Wellington“ legt er ein fein strukturiertes Singer-Songwriter-Album vor, das aus der Ruhe und Realität heraus den großen Pop-Moment sucht, deshalb aber noch lange nicht weniger Spaß macht. Warum er gerade damit am Puls der Zeit ist, verrät er im Interview.

(stretchet sich) Vorbereitung für meinen Stagedive. Ich mache immer Stagediving.

Funktioniert das mit der neuen Platte noch? Klingt weniger nach Punk, eher auf den Songwriter-Kern herunter destilliert.

Vielleicht nicht bei den neuen Songs, aber insgesamt werde ich das beibehalten. Ich liebe das Physische. Ich hab letztes Jahr zur Ballade „Into the wild“ gestagedivet – weil gerade dieser Gegensatz so lustig war.

Heißt, es wird ab sofort zwei Phasen bei deinen Gigs geben? Erst Songschreiber-Session, dann Revue-Rabatz wie früher?

Ja, aber was heißt „wie früher“. Als ich angefangen habe, Bonaparte zu sein, war jeder Abend anders. Die allererste Show hatte das Konzept „Ballade, auf die Zwölf, Ballade, auf die Zwölf“.

Grenzt ja an emotionalen Terror.

Total. (lacht) Ich tue das, was für mich gerade Sinn macht: was Spaß macht oder schmerzt. Die Challenge war, das Gaspedal zwei bis drei Stunden runterzudrücken. Ich hab zehn Jahre krass durchgeballert. Nach 550 Mal „Anti Anti“ will ich verschiedene neue Emotionen anzapfen.

Würdest du sagen, du bist mit diesen neuen Emotionen näher bei dir selbst? In Videos wie „Melody X“ präsentierst du dich minimalistisch. Keine Kostüme, nur du und die Kamera. Man könnte meinen, alle Rollen seien von dir abgefallen.

Wahrscheinlich beantworte ich das mit dem Albumtitel – ohne, dass es mir bewusst war. Stravinsky Wellington ist der Name einer meiner Katzen. Es geht darum, die innere Katze wiederzufinden. Dir kann dann keiner was. Ich sage: „Pff, whatever. Da ist ein bisschen Sonne, da leg ich mich hin. so long, pussycat.“

Die Mittel des Albums könnten auch aus den 70ern sein. Der Sound, das Cover, die Videos. Warum ist das Ganze dennoch eine Jetzt-Platte?

Weil das, was sie sagt, Probleme im Jetzt lösen könnte – auch wenn ich die Songs vor einiger Zeit geschrieben habe. Früher war ich als Erzähler in meinen Songs eher der inneren Schweinehunde, die Personen, die ich eigentlich anprangere. Ich wollte auf der neuen Platte das Rollenspiel umdrehen, hinter die Maske schauen.

Ist die Zynismus-befreite Perspektive für dich schwieriger einzunehmen?

Ja, das war die Challenge der Platte. ich finde es einfacher, den Bösewicht zu spielen. Die neue Herausforderung ist, greifbarer Mensch zu sein.

Das ist vielleicht auch das Problem in dieser Welt.

Klar, schau dir an, wie viele Politiker genau das tun. Wir finden es geil, wenn ein Vollidiot daherkommt und geben dem auch noch unsere Stimme. Meine Platte sagt: Wir müssen in der Kunst immer versuchen, einen Schritt weiter zu denken.

Macht das die Platte am Ende zu einer positiven oder negativen?

Ich finde, es ist eine positive. Bei „Melody X“ geht es um Hoffnung. „White Noize“ sagt, der Scheiß frisst sich am Ende eh selbst auf. Oder „Fuck your Accent“. Das ist um die Ecke gedacht die Lösung der halben Weltprobleme.

Einfach mehr Sex haben?

Sex mit Sprache. Viel Spaß! Hat jemand einen Akzent, ist das schon mal anders. Andersartig. Sich mit dem vermengen zu wollen – kann es etwas Schöneres für die Welt geben? Es geht um Sex und um etwas, das man gar nicht anfassen kann. Das ist sehr bonapartig.

Inwiefern?

Der Song ist spaßig und poetisch. Ein Mensch hat nun mal beides: Kopf und Hintern. Deshalb hat es mich auch schon immer gestört, dass die GEMA noch in E- und U-Musik unterscheidet. In jeder Musik ist beides drin. Das war immer bei Bonaparte so und das ist auch heute noch so. Auf einer Ebene kannst du mit dieser Platte viel nachdenken, auf der anderen kannst du mit ihr viel fühlen. Aber es ist eben keine Tanz-Platte.

Und wie wird die nächste Platte?

Das wird die krasseste Tanz-Platte, die ich je gemacht habe. Nehmt schon mal eure Disco-schlüpfer aus dem Schrank!

Bonaparte – The Return of Stravinsky Wellington erschien am 2.6.2017 über Believe Digital (Soulfood).

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Titelfoto: © Melissa Jundt