Moritz Bleibtreu, Gott, Kino

»Als Schauspieler muss man sich jeden Tag etwas beweisen« – Moritz Bleibtreu über ‚Nur Gott kann mich richten‘

Moritz Bleibtreu wurde 1971 als Sohn von Monica Bleibtreu und Hans Brenner geboren. Populär wurde er Ende der 90er Jahre durch Filme wie „Knockin’ on Heaven’s Door“, „Lola rennt“,  „Das Experiment“ oder den Kult-Komödie „Lammbock“. Sein vielseitiges Rollenspektrum reicht vom RAF-Terroristen in „Der Baader Meinhof Komplex“ bis zu Joseph Goebbels in „Jud Süß – Film ohne Gewissen“. Auch Hollywood wurde auf den Schauspieler aufmerksam. Ob in Steven Spielbergs Polit-Drama „München“ oder in Actionstreifen wie „Speed Racer“ oder „World War Z“ mit Brad Pitt.

Am 25.1. kommt Bleibtreu mit dem Action-Krimi „Nur Gott kann mich richten“ von Özgür Yildirim in die Kinos, der auf dem Filmfestival Zürich seine Premiere feierte. Mit dem Schauspieler unterhielt sich [030] Mitarbeiter Dieter Oßwald.

Herr Bleibtreu, in der Kritik des Branchenblatts „Screen International“ wird gelobt, wie großartig Hamburg in diesem Film aussehen würde – der allerdings vollständig in Frankfurt spielt…

Bleibtreu: Hamburg? Da wurde offensichtlich nicht genau hingeschaut! Wie gut, dass man keine Kritiken liest! (Lacht)

Macht harte Action mehr Spaß als Kiffen, wie zuletzt in „Lommbock“?  

Bleibtreu: Das kann man so nicht sagen. Jedes Genre bringt eine eigene Aufgabenstellung für den Schauspieler mit sich. Dieses Projekt hat aber schon deshalb viel Spaß gemacht, weil es in einer sehr familiären Atmosphäre verwirklicht wurde. Als einer der Produzenten hatte ich die Möglichkeit, viele Freunde von frührer daran zu beteiligen. Diese persönliche Komponente macht das Arbeiten ausgesprochen angenehm.

Gehört „Toni Erdmann“-Star Peter Simonischek gleichfalls zur Riege dieser alten Freunde?

Bleibtreu: Als es darum ging, meinen Vater im Film zu besetzen, kam mir Peter einfach sofort in den Sinn. Er hatte ja noch meinen richtigen Vater gekannt. Seit ich denken kann, finde ich Simonischek einen unglaublich guten Schauspieler. Entsprechend groß war die Freude über seine Zusage.

Für Regisseur Özgür Yildirim standen Sie vor zehn Jahren schon bei dessen Debüt „Chiko“ vor der Kamera. Wie sehen Sie die Verbindung von damals zu heute?

Bleibtreu: Mit „Chiko“ war Özgür einer der ersten Regisseure, die einen Genre-Film aus der Perspektive dieser Figuren erzählen – was auch hier wiederum der Fall ist. Im deutschen Kino passiert das sehr selten, stattdessen wird immer aus der Sicht der Mehrheit auf die Minderheit geblickt. Mittlerweile verändert sich dieser Blickwinkel, wie man auch bei der Serie „4 Blocks“ überzeugend erleben kann. Diese Entwicklung gefällt mir ausgesprochen gut.

Wie viel Ahnung können Künstler von diesem kriminellen Milieu haben?

Bleibtreu: Özgür ist im Hamburger Stadtteil Dulsberg aufgewachsen, was nicht unbedingt zu den schönsten Vierteln gehört. Ich bin in St. Georg groß geworden, wo damals gleichfalls ein ziemlich rauer Wind wehte. Wir kennen das urbane Straßenmilieu aus eigener Erfahrung also schon recht gut – zumindest besser als Leute, die in einer bürgerlichen Gegend aufgewachsen sind.

Das Gangster-Genre braucht Gewalt. Gleichwohl die Frage: Wie weit kann man bei der Darstellung gehen?

Bleibtreu: Diese Frage wird gestellt, seit es Kino gibt. Ist Film ein Spiegel der Realität? Oder umgekehrt? Kunst muss die Freiheit haben, alles auszudrücken, was sie möchte. Kein Künstler wird jemals Herr über die Außenwirkung seiner Geschichten sein. Selbst bei einem grandiosen Anti-Kriegsfilm, der abschreckende Gewalt zeigt, wird es immer Idioten geben, die das bejubeln. Wobei unser Film die Gewalt ja überhaupt nicht ausstellt. Es gibt keine Großaufnahmen von blutigen Gesichtern. Lediglich im überlebensgroßen Showdown geht es härter zu Sache – aber das ist keine Glorifizierung, sondern ein cineastisches Stilmittel und inszeniert wie ein Ballett.

Eine ARTE-Dokumentation über Sie hieß „Als Schauspieler geboren – Moritz Bleibtreu.“. Trifft der Titel zu?

Bleibtreu: Man muss zum Schauspieler nicht geboren sein, das kann man lernen, wie jeden anderen handwerklichen Beruf auch. Allerdings gibt es sicherlich Menschen, die dafür geboren sind. Für mich stimmt der Titel wahrscheinlich insofern zu, als ich nie etwas Anderes machen wollte. Aber das ist keineswegs eine Voraussetzung: Man kann die Schauspielerei durchaus auch später erst für sich entdecken.

Haben Sie einen Überblick, wie viele Filme Sie bislang gemacht haben?

Bleibtreu: Keine Ahnung…

Laut Datenbank IMDB sind es 87 Filme…

Bleibtreu: Echt 87? Krasser Typ! (Lacht) Ich hätte vielleicht so rund 70 geschätzt.

Müssen Sie sich noch etwas beweisen?

Bleibtreu: Als Schauspieler muss man sich jeden Tag etwas beweisen, das ist wie im Sport. Das Lampenfieber hört schließlich nie auf – wenn das passiert, dann bist du tot.

Gott, Kino, Nur Gott kann mich richten

Good Cop oder Bad Cop? Co-Star Birgit Minichmayr pendelt zwischen Ober- und Unterwelt. Foto: © Matthias Bolliger / Constantin Film Verleih

Sie haben schon Terroristen, Krebskranke und Propaganda-Minister gespielt, sind noch Rollen-Wünschen offen?

Bleibtreu: Eine durchgeknallte Transe fehlt noch in der Sammlung! (Lacht). In solchen Kategorien denke ich gar nicht, ich empfinde mich eigentlich noch immer wie am Anfang meines Schaffens. Alles, was hinter mir liegt, ist Vergangenheit. Und was die Zukunft bringt, ist ein riesiges Feld, das für mich so groß und unerreicht ist, wie ich es mit 19 Jahren empfunden habe. Insofern fange ich mit meiner Karriere gerade erst an!

Schalten Sie um, wenn zufällig im Fernsehen ein Bleibtreu-Film läuft? Oder schauen Sie dann bis zum Abspann?

Bleibtreu: Da schalte ich schnell weiter. Meine eigenen Filme schaue ich immer nur ein Mal an, nur um zu sehen, welche Szenen weggefallen sind. Seit zehn Jahren habe ich auch keinen Film mehr vor Publikum gesehen – das halte ich nicht durch. Bei Premieren gehe ich während der Vorstellung lieber ins Restaurant. Im Unterschied zum Theater lässt sich am fertigen Film für den Schauspieler ohnehin nichts mehr ändern. Insofern halte ich es mit Johnny Depp, der sagte: ‚Ich bleibe so weit wie möglich davon entfernt’.

Wenn Sie sich im Kino schon nicht gerne anschauen, wie ergeht es Ihnen dann im Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud, wo Sie ausgestellt sind?

Bleibtreu: Bei Madame Tussaud gibt es richtig starke Puppen und welche, die nicht so gut gelungen sind. Und die Puppe von mir gehört leider nicht zu den besten. Die Erfahrung ist natürlich bizarr und ziemlich lustig.

In Hollywood hat der Harvey Weinstein-Skandal eine Lawine ausgelöst. Hierzulande gibt es Schlagzeilen um Regisseur Dieter Wedel. Tickt da noch manche Enthüllungs-Zeitbombe?

Bleibtreu: Ich gehöre nicht zu denen, die sich an öffentlichen Diskussionen weiter beteiligen, um sie dann ad absurdum zu führen.

                                                                                                              ‚Nur Gott kann mich richten‘ startet am 25.1. in den deutschen Kinos.